Zukunftspolitik

Finanzkapitalismus im Trend –
Was er anrichtet, wie wir uns wehren können
Referat am 19. Nov. 2011 in der Stadthalle Göttingen

Die Klagen der Immobilien-Geschädigten in Deutschland und in den Vereinigten Staaten gleichen sich: unverschämt hohe Abzahlungen für minderwertigen Wohnraum, hohe Gewinne für Banken und Vermittler. In beiden Ländern gehörte die DEUTSCHE BANK zu den maßgeblich Beteiligten. Die Umwandlung der Darlehen in undurchsichtige Wertpapiere stellte in den USA einen der Treibsätze der Finanzkrise dar. In Deutschland zahlen die Steuerzahler weiterhin Hunderte von Millionen für die Sanierung der HRE (Hypo Real Estate), in die die Not leidenden Papiere zu einem Großteil abgeschoben wurden.

Dass mehr als 300.000 Mitbürger in den ruinösen Strudel von Schrott-Immobilien-Verkäufen gerissen werden konnten, ist durch die Unrechtsprechung des „Banken-Senats“ am Bundesgerichtshof gewiss gefördert worden, die erst seit dem Rücktritt des langjährigen Vorsitzenden korrigiert wird. Doch die Machenschaften auf dem Immobilienmarkt und ihre schrecklichen Folgen bis hin zum Suizid, wie bei der jungen Krankenschwester Anja Schüller, gehören zu den Auswirkungen einer Politik, die die Bundesrepublik seit etwa 30 Jahren tief greifend verändert hat.

I. Was sich in 4 Jahrzehnten entwickelt hat

Die neoliberale Umverteilung der Vermögen und Einkommens-Möglichkeiten von der Gemeinschaft in private Hände und von den weniger Besitzenden zu den Mehrhabenden ist keineswegs als unabwendbares Verhängnis über uns gekommen. Die für die Gesetzgebung Verantwortlichen haben die Er-Mächtigung des Finanzkapitalismus im Gefolge eines trans-atlantischen Trends vielmehr Schritt für Schritt möglich gemacht.

Seit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems fester Wechselkurse zwischen unterschiedlichen Währungen im Jahre 1973 entstand unter dem Druck einer weltweit agierenden Finanz-Lobby neben dem herkömmlichen Kreditgeschäft der Banken als eigenständige Branche das immer mehr sich ausweitende Investment-Geschäft. Mit Hilfe der modernen Computertechnik werden in diesem Bereich mit Währungsunterschieden, Nahrungsmitteln sowie eigens geschaffenen Finanzprodukten Geschäfte gemacht, die sich längst von der Realwirtschaft abgekoppelt haben. Das mag nur eine Zahl verdeutlichen: Heute wird auf den Derivatemärkten das 60-fache der Wirtschaftsleistung aller Industrie-Länder umgeschlagen.

Den ungeheuren Schub des letzten Jahrzehnts ermöglichte die Aufhebung der strikten Trennung von Geschäfts- und Investment-Banken, die in den USA aufgrund der Erfahrungen während der vorangegangenen Weltwirtschaftskrise 1933 mit dem Glass-Steagall-Act festgeschrieben worden war. Nach intensivem Lobbying der interessierten Kreise wurde diese Beschränkung 1999 aufgehoben.

Wie massiv der Druck der Finanz-Lobby auch in Europa war, zeigt eine öffentliche Erklärung von 22 Mitgliedern des Europa-Parlaments, die im Juni 2010 die Versuche von Einflussnahme seitens der Finanz-Industrie beklagten und als Gefahr für die Demokratie bezeichneten. Unter den 22 Abgeordneten von Fraktionen der Grünen, der Sozialdemokraten, der Liberalen und Linken befand sich auch der Hannoveraner CDU-Parlamentarier Burkhard Balz.
Der Kölner Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge hat den Neoliberalismus als Quelle sozialer Ungleichheit bezeichnet. Diesem Ungeist dienten in den 80er und 90er Jahren zahlreiche Änderungen in der Steuergesetzgebung, die von den jeweiligen Regierungen initiiert und von den sie tragenden unterschiedlichen Koalitionen im Parlament verabschiedet wurden.

Die ersten drei Finanzmarktförderungsgesetze, deren Name für sich spricht, wurden in der Ära Kohl verabschiedet: 1990, 1994 und 1998. Das 4. Gesetz mit dem bezeichnenden Titel „Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland“ trat 2002 unter der Regierung Schröder/Fischer in Kraft. Eine rot-grüne Regierung war es dann auch, die im Jahre 2004 das Investmentmodernisierungsgesetz initiierte, das erstmals auch für Deutschland Kapitalanlagegesellschaften erlaubte, so genannte Hedge-Fonds aufzulegen und zu vertreiben. Wie soll man es bewerten, wenn einer der Befürworter dieses Gesetzes, der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering, ein Jahr später die Öffentlichkeit mit seiner Schelte der Heuschrecken auf dem Kapitalmarkt zu agitieren suchte? Die Regierungen Merkel setzten den Kurs der Vorgänger-Regierungen zielstrebig fort.

II. Haltung der Parteien und Kirchen

Vor diesem Hintergrund wird man sich über das Wegducken und Schweigen der meisten Vertreter unserer politischen Parteien nicht wundern dürfen. Alexander Hagelüken hat vor wenigen Wochen in einem Kommentar für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG geschrieben:
„Wer gegen diese nackte Umverteilung des Finanzkapitalismus protestieren will, ist bei deutschen Parteien schlecht aufgehoben. Die Volksparteien wirken wie Getriebene der Märkte. Was sich bei ihnen an Kritik regt, beispielsweise bei Gauweiler und Schäffler, läuft auf den falschen Abschied vom Euro hinaus. Die Linke wiederum hat in Oskar Lafontaine einen Vordenker gegen ausufernde Märkte, doch ihre Gesten erschöpfen sich im Nein sagen.“

Bei den Vertretern der so genannten Volksparteien ist Mitverantwortung für das gegenwärtige Desaster sicher ein Motiv. Noch schwerwiegender aber dürfte der blinde Glaube sein, mit dem die etablierten Politiker weiterhin an der Idee von wirtschaftlicher Macht für Deutschland hängen und am wirtschaftlichen Wachstum als dem dafür passenden Rezept.
Dabei ist seit dem ersten Bericht an den Club of Rom aus dem Jahre 1957 jedem Vernünftigen klar, dass es eine stetige Steigerung des Wirtschaftswachstums angesichts der natürlichen Grenzen der Ressourcen unserer Erde nicht geben kann. Neben anderen hat der Osnabrücker Wirtschaftswissenschaftler Nico Paech als einzig vertretbare Alternative das Modell einer Post-Wachstums-Gesellschaft skizziert. Eine Politik nach diesem Konzept könnte den gefährdeten Arten und den bedrohten Regenwäldern eine Hoffnung auf Überleben bieten und der weiteren Verelendung der Mehrheit der Bevölkerung in den Ländern der 3. und 4. Welt ein Ende setzen, und auch der zunehmenden Prekarisierung bei uns.

Für die Meisten von uns könnte eine konsequente Abkoppelung vom monetären Wachstum eine Chance zum Atemholen bieten. Seit langem führt die systematische Trennung zwischen der Wertorientierten persönlichen Lebensführung und der Gewinnorientierten Berufstätigkeit zur Vergewaltigung unserer Gefühle, zu Krankheit und Stress. Die moderne Glücksforschung kommt zum eindeutigen Ergebnis: je höher die Steigerungsraten des Brutto-Sozial-Produkts, umso weniger glücklich fühlen sich die Menschen. Der Münchner Psychotherapeut Wolfgang Schmidbauer ist dieser Entwicklung in seinem jüngsten Buch DAS KALTE HERZ nachgegangen. Es trägt den nachdenkenswerten Untertitel: „Von der Macht des Geldes und dem Verlust der Gefühle“.
Der transatlantische Psychologe Arno Gruen hat in all seinen Büchern die verheerenden Folgen für das Gefühlsleben der Einzelnen in dem System beschrieben, das er den WAHNSINN DER NORMALITÄT nennt.

Da möchte man meinen, dass die Kirchen und Religionsgemeinschaften unserem Thema hellwach begegnen. Leider auch hier vielerorts peinliches Schweigen. Gelegentliche Äußerungen muten häufig wie Pflichtbekenntnisse an, denen aber kein ernsthaftes Engagement folgt. Manchmal wird sogar ganz offen Partei für das herrschende System genommen. Die schamloseste Parteinahme, die mir bekannt ist, stammt von der Anglikanischen Kirche Englands. Ein Jahr nach der jüngsten Finanzkrise, als in der EU eine stärkere Regulierung der Finanzmärkte jedenfalls überlegt wurde, widersprach die Anglikanische Kirche allen derartigen Plänen. Eine Beschränkung der Profitmöglichkeiten bei Geld-Anlagen könne die Anglikanische Kirche um 900 Millionen Pfund bringen, die sie jährlich für wohltätige Zwecke einsetze. Demgegenüber hat der Päpstliche Rat für Gerechtigkeit und Frieden im Oktober 2011 eine umfassende Regulierung der Weltwirtschaft gefordert und die Schaffung einer internationalen Verwaltung unter der Ägide der Vereinten Nationen vorgeschlagen.

Klare Worte kommen von den Vertretern der weltweiten Ökumene, in der auch die Stimmen derer beachtet werden, die unter ungerechten Handelsbedingungen, wirtschaftlichem Druck und politischer Marginalisierung bitter zu leiden haben. Auf der Friedenskonvokation des Ökumenischen Rates auf Jamaika wurde in diesem Frühsommer eine Erklärung verabschiedet, in der es heißt:
„Die Schreie der Armen und Schwachen hallen im Seufzen der Erde wieder…Etwas läuft grundlegend falsch, wenn das Vermögen der drei reichsten Menschen der Welt größer ist als das Bruttoinlandsprodukt der 48 ärmsten Länder der Welt… Ethisch unverantwortliche Finanzinstrumente, verzerrte Vergütungsstrukturen und andere systemische Faktoren… treiben Millionen und Abermillionen von Menschen in die Armut.“

III. Notwendige Regeln

Wer die Logik der Bewegungen des global agierenden Finanzkapitals einmal verstanden hat, kann nur für die strikteste ethisch-politische Regulierung eintreten. Dafür wird es nötig sein, unseren jeweiligen Abgeordneten gehörig auf die Finger ihres Abstimmungsverhaltens zu sehen und ihnen gegebenenfalls auf die Pelle zur rücken.

Mir legen sich drei politische Kernforderungen nahe:

1.
Rückkehr zum über Jahrzehnte mäßigenden Prinzip der Trennung von Kredit- und Investmentgeschäft im Bankenwesen. Allein die Rückbindung der Bankgeschäfte an eine möglichst regional strukturierte Realwirtschaft kann verhindern, dass Banken so groß und einflussreich werden, dass sie im Fall großer Verluste den Einsatz öffentlicher Gelder erpressen können.
Im Übrigen gilt es, die Abhängigkeit vom Bankensektor dadurch zu verringern, dass die Politik sich an den begrenzten öffentlichen Mitteln orientiert und damit beginnt, die gigantisch gewachsenen staatlichen Schuldenberge abzutragen. Zurzeit belasten allein die Zinszahlungen die öffentlichen Haushalte mit rund 60 Milliarden Euro jährlich.
2.
Verbot aller frei zugänglichen Spekulationsgeschäfte auf dem internationalen Kapitalmarkt. Anders als beim LOTTO bezahlen für die Gewinne und Verluste im globalen Geschäft mit Währungen, Vermögensanteilen und Rohstoffen nicht die Mitspieler, sondern Außenstehende, Menschen, Gruppen und manchmal die Bevölkerungen ganzer Länder, wie zuletzt in Irland. Deren Lebensrechte, die Menschenrechte also gebieten eine radikale Einschränkung etwa des Derivatehandels auf die direkt am jeweiligen Risiko Beteiligten.
Dass die verantwortbaren Finanztransaktionen wie alle anderen Umsätze im Marktgeschehen besteuert werden, sollte sich eigentlich von selbst verstehen.

3.
Wer der unbegrenzten Freiheit des Waren- und Kapitalverkehrs das Wort redet und politisch Raum gibt, lädt die Kapitalbesitzenden global player dazu ein, ihre Profitstreben zu Lasten von Mensch und Umwelt noch bis in den letzten Winkel unserer Erde auszuweiten.
Unter diesem Gesichtspunkt sind die entsprechenden Bestimmungen aller internationalen Verträge noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Das gilt auch für Artikel 50 des Lissabon-Vertrages und vor allem für die Handelsabkommen mit Ländern der 3. Welt.
Jedem Land sollte das Recht eingeräumt werden, sich vor dem hemmungslosen Wirken von Handels- und Kapitalgesellschaften zu schützen, so wie die USA und Europa in bestimmten Bereichen wie dem Agrarmarkt dies für sich selbstverständlich in Anspruch nehmen. Auch im internationalen Waren- und Kapitalverkehr hat der Grundsatz der Gegenseitigkeit zu gelten: Was wir für uns selbst in Anspruch nehmen, das steht auch jedem anderen zu.

IV. Was jede/r Einzelne tun kann

Wenn Kirchen und Parteien weithin untätig bleiben, sind wir alle gefordert, das uns Mögliche zu tun. Ähnlich wie im Kampf gegen die Atom-Industrie und deren weltweite Lobby gilt es, den Widerstand gegen die Finanz-Industrie in dem bewährten Dreiklang aufzubauen mit
– Aufklärung und Protest
– Politischen Forderungen und Veränderungen
– sowie Konsequenz im eigenen Handeln.

Im Blick auf das persönliche Verhalten gilt die Mahnung der 3.-Welt-Gruppen und der Frauenverbände der Kirchen unverändert, den eigenen Konsum, den eigenen Einkauf, den ganzen eigenen Lebensstil daraufhin anzuschauen, wieweit die unmenschlichen Praktiken der großen und kleinen Konzerne befördert werden. Lassen Sie mich zur Erinnerung nur ein Beispiel nennen. Wieso soll elende Sklavinnen-Arbeit erlaubt sein und gefördert werden, nur weil sie nicht bei uns, sondern in den Freihandelszonen Asiens und Lateinamerikas stattfindet und ihre von Schweiß und Blut getränkten Produkte stone-washed und spottgünstig in den Filialen einer skandinavischen Modekette angeboten werden?

Auf die Macht der Banken dürfte es einschneidende Wirkungen haben, wenn möglichst viele Bürger unseres Landes sich in den folgenden drei Bereichen konsequent an den Maßstäben von Menschlichkeit und Gerechtigkeit orientierten. Wir brauchen uns nur konsequent drei wesentliche Fragen vorzulegen:

1.
Wo habe ich mein Konto, wo sind meine Ersparnisse und eventuelle Vermögen angelegt?
Die DEUTSCHE BANK ist gerade dabei, über die mehrheitlich übernommene Postbank im Privatkundenbereich ihre Verluste aus dem Investmentgeschäft zu kompensieren. Wenn es anderen an Zeit fehlt, müssten Hausfrauen und Rentner täglich vor den Filialen der Postbank und anderer Geldinstitute auf die Notwendigkeit des Wechsels zu verantwortlichen Banken aufmerksam machen. Es gibt in unserem Land inzwischen vier sozial und ökologisch ausgerichtete Banken, von denen bisher zwei auch ein Girokonto möglich machen. Darüber hinaus lässt sich leicht feststellen, ob Ihre Volksbank oder Sparkasse sich an das Gebot regionalen Wirtschaftens hält und auf internationale Finanzgeschäfte verzichtet. Das Globalisierungskritische Netzwerk attac hat einen entsprechenden Handzettel erarbeitet.

2.
Wo bin ich versichert?
Noch gibt es auf dem Feld der Krankenversicherung, im Rechtsschutz und der Fahrzeug-Versicherung Unternehmen, die in der sozial förderlichen Struktur eines Vereins auf Gegenseitigkeit organisiert sind.
Eventuelle Überschüsse werden an die Mitglieder weitergegeben und nicht im internationalen Spekulationskarussell vermehrt und an die Bosse und Aktionäre verteilt

3.
Wem zahle ich meine Miete?
Wegen der großen Zahl der Flüchtlinge entwickelte sich in der Bundesrepublik der soziale Wohnungsbau in den Nachkriegsjahren besonders stark. Siedlungsgemeinschaften und Wohnungsgenossenschaften sorgten in vorbildlicher Weise für die Befriedigung der akuten Bedürfnisse und verwendeten die Überschüsse für Renovierung und weiteren Ausbau. Managementfehler eines großen Unternehmens dienten in der neoliberalen Wendezeit als Vorwand, die staatliche Unterstützung für den sozialen Wohnungsbau wesentlich zu reduzieren. In den letzten Jahren haben auch immer mehr Kommunen ihre allgemeinen Wohnungsbauunternehmen privatisiert. Das staatliche Wohngeld kommt inzwischen einer Subventionierung der privaten Wohnungswirtschaft gleich, ohne die stetige Erhöhung der Mieten wirksam zu begrenzen. Das alles hat zur Folge, dass Wohnraum zu sozial verträglichen Mieten in den meisten Städten inzwischen zum knappen Gut geworden ist. Das Netzwerk SYNDIKAT mit Hauptsitz in Freiburg unterstützt die Umwandlung von Mietshäusern in gemeinschaftliches Wohneigentum.

IV. Das verbindliche Ziel: Dem Leben dienen!

Vor dem skizzierten Hintergrund trete ich entschieden dafür ein, der Wertbestimmung in Artikel 14 unseres Grundgesetzes durch eine systematische Ausweitung verantwortungs-bewusster Gemeinwirtschaft Geltung zu verschaffen. Ebenso anspruchsvoll wie unverbindlich heißt es dort: „EIGENTUM VERPFLICHTET. Sein Gebrauch hat zugleich dem Wohle der Allgemeinheit zu dienen.“ Sozial und ökologisch orientiert und regional verankert können gemeinwirtschaftliche Unternehmen und Einrichtungen ein Gegengewicht bilden gegen die Profitorientierte Privatwirtschaft. Gesetzliche Vorgaben und das Engagement der Beteiligten können dafür sorgen, dass gemeinwirtschaftliches Wirtschaften dem Zweck erfüllt, der allem Wirtschaften vorgegeben sein sollte: dem Wohlergehen der Menschen zu dienen. Zukunftsbezogen schließt das einen behutsamen Umgang mit der Umwelt ein.
Die Maxime, Geld zu machen, damit noch mehr Geld gemacht werden kann, aus dem noch mehr Geld zu machen ist, das Gebot des modernen Finanzkapitalismus, ist unvereinbar mit den Grundwerten aller Religionen und spirituellen Traditionen der Menschheitsgeschichte. Sie alle beziehen das Verhalten des Einzelnen auf einen umfassenderen, höheren Zweck, auf den Mitmenschen, auf die Gemeinschaft, auf Gott, auf das Ganze der Schöpfung.
Wo der Zweck der Geldvermehrung zum Selbstzweck wird, artet er aus, wird er zum Wahn, zum Feind des Lebens, religiös gesprochen, wird er zu Götzendienst. Jesus von Nazareth nennt die sich verselbständigende Geldvermehrung Mammon. Heute wie damals trifft Jesu klare Ansage zu: IHR KÖNNT NICHT GOTT DIENEN UND DEM MAMMON. (Matthäus-Evangelium 6,24)

Das einzige Gut, das durch Vermehrung immer mehr Freude bringt und den persönlichen Nutzen ebenso steigert wie den allgemeinen, ist, Sie ahnen es: die LIEBE.
Deshalb möchte ich in Abwandlung eines berühmten Zitats schließen mit dem Aufruf:
MAKE LOVE , NOT MONEY!

 

Literatur:

Gerhart Baum, Julius Reiter, Olaf Methner, Abkassiert. Die skandalösen Methoden der Finanzbranche, rowohlt 2009

Wilfried Altzinger, Margit Schratzenstaller, Krisenursachen, Krisendynamiken, Maßnahmen, in: Forum Politische Bildung (Hg.), Wirtschaft und Politik. Informationen zur politischen Bildung 33, Innsbruck, Wien, Bozen 2010, 25-34

Christoph Butterwegge, Armut und Reichtum in der Bundesrepublik. Neoliberalismus als Quelle sozialer Ungleichheit, in: www.dr-wo.de/themen/butterwegge/armutundreichtum.htm

Alexander Hagelüken, Steht endlich auf und empört euch, Kommentar in SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, 10.10.2011

Wolfgang Schmidbauer, Das kalte Herz. Von der Macht des Geldes und dem Verlust der Gefühle, Murmann-Verlag Hamburg, 2011

Arno Gruen, Verratene Liebe. Falsche Götter, Klett-Cotta-Verlag Stuttgart 2003

Carsten Volkery, Angst ums eigene Geld. Englische Bischöfe verteidigen Hedgefonds, SPIEGEL online 11.10.2009

www.kathnews.de, Warum die Kirche für die Transaktionssteuer ist, 14.11.2011 –
Die Erklärung des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden im engl. Original in:
www.vatican.va/roman_curia/pontifical_councils/justpeace/documents/rc_pc_justpeace_doc_20111024_nota_en.html

Ökumenischer Rat der Kirchen (Hg.), Die Wahrheit sagen über uns und die Welt, Genf 2010

Matthias Schmelzer, Alexis Passadakis, Postwachstum. Krise, ökologische Grenzen und soziale Rechte, ATTAC-Basistexte 36, VSA 2011

Nico Paech, Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie, oekom-Verlag München 2012
© Dr. Ulrich Kusche, Göttingen